Das Orkney Museum in Kirkwall

Das Orkney Museum erzählt die Geschichte der Orkney Inseln und ihrer Schätze, ein Schwerpunkt ist die archäologische Sammlung mit etwa 100.000 Artefakten aus über 5000 Jahren Menschheitsgeschichte

Zur Geschichte der Orkney Inseln

Die Orkney Inseln sind eine vor der Nordostspitze Schottlands liegende Inselgruppe. Neben der Hauptinsel Mainland zählen rund 70 kleinere Inseln zu diesem Archipel. 20 Inseln sind bewohnt. Viele Inselnamen enden mit dem Suffix „ay“, der sich aus dem altnordischen Wort für „Insel“ ableitet.

Der Ursprung des Namens Orkney ist nicht eindeutig geklärt. Eine These geht davon aus, dass Orkney vom lateinischen orca (Wal) abgeleitet ist. So soll der Grieche Pytheas von Massalia, ein Seefahrer und einer der großen Entdecker der Antike, die Inseln unter der Bezeichnung Cape Orcas auf seiner Erkundungsreise um 325 v. Chr. besucht haben. Später bezeichnete der angelsächsische Benediktiner, Theologe und Geschichtsschreiber Beda Venerabilis (672-735) die Inseln als Orcades insulae. Eine andere These besagt, die norwegischen Eroberer hätten die Inselgruppe orkn-eyjar genannt, orkn für Robbe und eyjar für Inseln, demnach also „Robbeninseln“.

Flagge Orkney IslandsDie Flagge von Orkney wurde 2007 in einem öffentlichen Wettbewerb ermittelt. Aus rund 100 eingereichten Vorschlägen wurden zunächst fünf ausgewählt und mit dem Lord Lyon King of Arms abgestimmt. Er ist der Vorsitzende des Court of the Lord Lyon, das für Schottland zuständige staatliche Wappenregister. Aus den fünf verbliebenen Vorschlägen wurde mit 53% der Stimmen der Entwurf des Postbeamten Duncan Tollock aus Birsay gewählt. Die Flagge zeigt ein blaues skandinavisches Kreuz in gelber Kontur auf rotem Grund. Die Farben Rot und Gelb sind dem schottischen und dem norwegischen Königswappen entnommen und symbolisieren die historischen Bindungen zu beiden Ländern. Das Blau stammt von der Flagge Schottlands und repräsentiert darüber hinaus das Meer und die Tradition der Seefahrt.

Im späten 8. und frühen 9. Jahrhundert machten die Wikinger Orkney und Shetland zum Hauptquartier ihrer Piratenexpeditionen, die sie u.a. gegen Norwegen führten. Als Reaktion darauf annektierte der norwegische König Harald I. (Harald Hårfagre) im Jahr 875 beide Inselgruppen. 1468 wurde Orkney von Christian I. in seiner Eigenschaft als König von Norwegen verpfändet. Dieses Pfand galt als Sicherheit für die Zahlung der Mitgift seiner Tochter Margaret, die mit James III. von Schottland verlobt war. Christian I. konnte die Summe von 60.000 Rheinischen Gulden nicht aufbringen und so wurde Orkney 1472 Teil des Königreichs Schottland.


Orkney Museum

Das Orkney Museum (auch Tankerness House Museum genannt) erzählt die Geschichte der Inseln und ihrer Schätze. Ein Schwerpunkt ist die archäologische Sammlung. Sie umfasst etwa 100.000 Artefakte aus über 5000 Jahren Menschheitsgeschichte. Zu sehen sind unter anderem Steinwerkzeuge aus dem Isbister Chambered Cairn, Metallarbeiten aus der Bronzezeit, piktische Symbolsteine und Grabbeigaben aus dem Wikingerschiff Scar. Ein zweiter Schwerpunkt ist die sozialgeschichtliche Sammlung, von der Angliederung an Schottland im 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Sie zeigt, wie das Leben der Reichen und Armen verlief, wie sich die Landwirtschaft veränderte und wie sich die Industrie entwickelte.

Von 1642 bis 1951 war das Gebäude das Zuhause der Familie Baikie aus Tankerness, daher die Bezeichnung Tankerness House Museum. Der Nord- und der Südflügel waren ursprünglich Wohnhäuser für den Domklerus. 1951 wurde das Gebäude von Kirkwall Burgh Council erworben und 1968 als Museum geöffnet. Das Haus steht unter Denkmalschutz, der Salon der Familie Baikie und die Bibliothek wurden weitgehend erhalten und vermitteln einen Eindruck, wie das Haus aussah, als es noch ein Familienhaus war.

Zum Zeitpunkt unseres Besuchs im Mai 2024 gab es eine Sonderausstellung mit einigen der schönsten Artefakte aus dem Ness of Brodgar. Die im Jahr 2003 entdeckte Stätte wurde etwa 1000 Jahre lang bis 2300 v. Chr. genutzt. 2007 wurde eine 100 Meter lange und bis 4 Meter dicke steinerne Mauer entdeckt, die als Great Wall of Brodgar bezeichnet wird. Zudem wurde eine kleinere Mauer nachgewiesen, die Lesser Wall of Brodgar. Die Größe, die Qualität und die Architektur der Gebäude sowie die Belege für Ziegeldächer, gefärbte Wände und zahlreiche Artefakte vermitteln den Eindruck, dass hier etwas Besonderes war, vermutlich viel mehr als nur eine Wohnsiedlung.

Der Salon der Familie Baikie
Der Salon der Familie Baikie


Einige interessante Exponate aus dem Museum:

Werkzeuge, Behälter und Gefäße aus Skara Brae
Werkzeuge, Behälter und Gefäße aus Skara Brae

Steinlampe und Hammersteine aus Stromness
Steinlampe und Hammersteine aus Stromness

Urnen
Urnen

Werkzeuge
Griffe, Gussformen und Schmelztiegel

Butterfly Stone

Butterfly Stone
Unabhängig voneinander wurden drei Fragmente im Ness of Brodgar gefunden, die perfekt zusammenpassen. Seinen Namen erhielt er aufgrund der eingeritzten Dreiecke, die an den Spitzen miteinander verbunden sind und Schmetterlingsflügeln ähneln.

Experten gehen davon aus, dass die Zeichen absichtlich nur leicht eingeritzt waren und daher nur schwer zu erkennen sind. Erst wenn das Licht im „richtigen Moment und im richtigen Winkel“ auf die Gravuren trifft, werden sie deutlicher sichtbar und so "zum Leben erweckt".

Piktische Steine

Piktische Symbolsteine

Die piktischen Symbolsteine entstanden im östlichen und nördlichen Schottland von etwa 300 n. Chr. bis ca. 840 n. Chr. Ihre Symbole zeigen zumeist geometrische Motive, deren Bedeutungen rätselhaft sind. Man unterscheidet zwei Klassen:

Klasse 1 sind unbearbeitete Steine oder Felsplatten mit eingeritzten Symbolen aus dem 6. bis 8. Jahrhundert.
Klasse 2 sind bearbeitete Steine, die gezielt in eine bestimmte Form gebracht wurden, z.B. Rechtecke. Sie zeigen christliche Motive, oft ein großes Kreuz, und stammen aus der Zeit der Christianisierung, vermutlich aus dem 8. und 9 Jahrhundert.

Mahlstein
Mahlstein

Brodgar Boy

Brodgar Boy
(Nr. 2 links im Bild)

Im Ness of Brodgar wurden zwei Teile gefunden, die zusammen eine 30 mm kleine Tonfigur ergeben, bestehend aus einem Kopf, einem Körper und zwei Augen. Sie erhielt den Namen "Brodgar Boy".
Zu welchem Zweck sie diente, ist unklar.
Da ein Ende des Objekts zerbrochen ist, könnte es ursprünglich ein Teil eines größeren Tonobjekts gewesen sein.

Rechts im Bild (Nr. 3) ist eine Miniatur Axt aus Stromness.

Stillstuhl

Nursing Chair


Diese Stühle stammen aus dem 16. Jahrhundert.

Vorne links ein Stillstuhl aus dem Jahr 1596 mit den Initialen ET. Es war ein Geschenk von James Tait of Cannigal an seine Tochter Ellen Tait anlässlich ihrer Heirat mit James Drever of Westray.
Der Stuhl blieb im Besitz der Familie Drever, bis er 1997 dem Orkney Museum vermacht wurde.

Stillstühle sind kleinere Möbelstücke, die häufig in viktorianischen Häusern zu finden waren.

Die niedrige Sitzposition erleichterte den Umgang
mit kleinen Kindern und das Stillen.

Töpfe aus Stromness
Töpfe und ein Knochenspachtel aus Stromness

Geweihkämme
Geweihkämme

gekrümmte Zinken und gelochte Platten
gekrümmte Zinken und gelochte Platten

Becher und Gefäße aus Stromness
Becher und Gefäße aus Stromness

Orkney Hood

Orkney Hood

Ein Kleidungsstück aus ungefärbter brauner Wolle, vermutlich hergestellt zwischen 250 und 615 n. Chr.
Es wurde 1867 in einem Torfmoor in Tankerness gefunden und ist das einzige vollständige Kleidungsstück aus Stoff, das aus dem frühmittelalterlichen Schottland erhalten ist.

Es ist ungewöhnlich, dass organische Materialien wie Leder, Holz oder Stoff die Zeiten überdauern.
Dank der konservierenden Eigenschaften des Torfs sieht das Kleidungstück heute noch fast genauso gut aus wie vor rund 1.700 Jahren.


Das Groatie Hoose

Groatie Hoose
Groatie Hoose

"Tankerness House Gardens" ist der ehemalige Privatgarten der Familie Baikie. Er ist heute für die Öffentlichkeit geöffnet und gilt als Ruheoase in Kirkwall. Durch die hohen Mauern und die umliegenden Gebäude ist der Garten vor Wind geschützt und bietet so den zahlreichen Pflanzen ganzjährlich gute Bedingungen. Das wissen auch Insekten und Vögel zu schätzen.

Auf den Orkney Inseln scheint jeder Stein eine geheimnisvolle Geschichte in sich zu tragen. Dieses vermeintliche Naturgesetz gilt ganz besonders für das seltsame Steingebäude mit der Bezeichnung "Groatie Hoose" am Ende des Gartens. Der Name stammt von den Kaurimuscheln (richtigerweise Kaurischnecken), die die Turmspitze verzieren. In Orkney und Shetland werden sie "Groatie Buckies" genannt. Sie gelten traditionell als Glücksbringer und finden sich häufig in Kunst und Schmuck wieder.

Das "Groatie Hoose", auch "Gow's Folly" genannt, wurde ursprünglich für das feine Stadthaus des pensionierten Edinburgher Anwalts James Traill of Woodwick angefertigt, der von 1730 bis zu seinem Tod im Jahr 1733 Propst von Kirkwall war. Später wurde das Stadthaus in ein Hotel umgewandelt, das am 5. März 1938 bei einem Feuer zerstört wurde. Alles, was übrig blieb, war das steinerne Folly in den Überresten des Gartens.

Gebaut wurde das "Groatie Hoose" aus Vulkansteinen, aber nicht aus irgendwelchen Vulkansteinen, sondern mit den Steinen, die einst als Ballast für die "Revenge" dienten. Die Revenge war das Schiff des berüchtigten Piraten John Gow (daher "Gow's Folly).

Nachdem Gow als Pirat vor der portugiesisch-spanischen Küste unterwegs war, um Fracht von anderen Schiffen zu plündern, kehrte er Anfang 1725 nach Orkney zurück. Um sich zu tarnen, nannte er sich nun Mr. Smith (Gow ist das gälische Wort für Smith) und die Revenge wurde in "George" umbenannt. Das Geld ging schnell zur Neige, daher überfielen Gow und seine Piraten am 10. Februar 1725 die Hall of Clestrain, das damalige Herrenhaus der Familie Honeyman (und das spätere Geburtshaus des Entdeckers John Rae) auf der Insel Graemsay. Danach segelten sie zur Insel Eday zu James Fea, einem wohlhabenden Freund von Gow. Die Strömungen und Gezeiten in Eday sind extrem stark und führten dazu, dass das Schiff auf Grund lief. Wenig später ergab sich Gow unter einer weißen Flagge. Er wurde sofort verhaftet und mit seiner Mannschaft nach London transportiert.

Am 11. Juni 1725 wurden Gow und weitere Piraten in London gehängt. Der Newgate Calendar (ursprünglich ein monatliches Bulletin über Hinrichtungen, das vom Wärter des Newgate-Gefängnisses in London herausgegeben wurde) berichtete, Gow starb langsam. Er hing bereits 4 Minuten, als das Seil riss und er zu Boden stürzte. Nun musste er ein zweites Mal die Leiter empor und wurde erneut gehängt. Seine Leiche wurde zerlegt, geteert und an Ketten aufgehängt.

2005 wurde das "Groatie Hoose" Stück für Stück an den heutigen Standort überführt, in den ruhigen Park des Museums. Einen besseren Platz könnte es nicht geben.


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