Die schwimmenden Inseln der Uros
Die Uros sind möglicherweise die älteste Ethnie auf dem amerikanischen Kontinent. Einige Wissenschaftler glauben, ihre Spuren in der Region bis ins Jahr 3000 vor Christus nachweisen zu können. Die Uros sind bolivianischen Ursprungs. Sie siedelten zunächst am Ufer des Uru-Uru-Sees im Anden-Hochgebirge auf dem bolivianischen Altiplano.
Im Laufe der Zeit vermischten sie ich mit den Quechua und den Aymara, den Bewohnern der Randgebiete des Titicacasees. Als im 13. Jahrhundert die Inkas die gesamten Anden einschließlich des Titicacasees eroberten, flüchteten die Uros in die Mitte des Titicacasees.
Der Titicacasee ist mit einer Fläche von 8.300 Quadratkilometern der größte Süßwassersee Südamerikas und mehr als 15 Mal so groß wie der Bodensee. Es ist das höchstgelegene kommerziell schiffbare Gewässer der Erde. Der See liegt auf einer Höhe von 3.810 Meter über dem Meeresspiegel, ist 178 Kilometer lang, bis zu 67 Kilometer breit und hat eine durchschnittliche Tiefe von 107 Meter. Der westliche Teil mit 4.996 km² (56%) gehört zu Peru, der östliche Teil mit 3.304 km² (44%) zu Bolivien.
Die Uros bauten eine Reihe von Inseln aus Totora-Schilf. Dort lebten sie weitgehend autark von der Jagd auf Vögel und vom Fischfang. Die Andenkärpflinge waren ein wichtiges Nahrungsmittel und zudem ein beliebtes Tauschobjekt. Die Uros tauschten sie gegen Kartoffeln, Früchte und Kleidung mit den auf dem Festland lebenden Aymara.
Die Inseln der Uros
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Grundlage für das Leben auf dem See ist Totora-Schilf. Es wächst in Uferzonen von Flüssen, Teichen und Seen in großen Kolonien auf dem nord- und südamerikanischen Kontinent und auf der Osterinsel. Die abgeschnittenen, getrockneten und gebündelten Stängel des Schilfs haben im Wasser einen hohen Auftrieb. Das ist die Grundlage für eine vielfältige Nutzung. Viele südamerikanische Völker nutzen schon früh die Totora-Stängel zum Bau von Kanus und Flößen. Auch Häuser und Möbel werden aus dem Schilf gebaut.
Ein Großteil der Ernährung und der Medizin der Uros dreht sich ebenfalls um das Schilfrohr. Der weiße Teil des Schilfs (genannt Chullo) wird oft gegessen. Bei Schmerzen wird das Schilfrohr um die betreffende Stelle gewickelt, um den Schmerz zu lindern. An heißen Tagen oder bei Fieber wird der weiße Teil des Schilfs in den Händen aufgerollt und aufgeschnitten. In diesem Moment fühlt sich das Schilf kühl an. Dann wird es auf die Stirn gelegt, vergleichbar einer Kältekompresse. Aus den Schilfblüten stellen die Uros Tee her.
Die schwimmenden Inseln der Uros befinden sich etwa sieben Kilometer von der Stadt Puno entfernt. Im Laufe vieler Generationen wurde die Technik des Inselbauens stets verbessert. Der Vorteil gegenüber einer festen natürlichen Insel liegt in der Möglichkeit, sie im Notfall an einen anderen Ort verschieben zu können. Andererseits musste man lernen, die Inseln zu verankern. Damit konnte man das unfreiwillige Wegtreiben durch Wind oder Strömungen vermeiden.
Zum Bau einer Insel werden zunächst größere Blöcke aus den Schilfwurzeln herausgelöst. Diese Blöcke werden zusammengebunden und bilden das Fundament der Insel. Form und Größe sind variabel. Auf das Fundament werden mehreren Schichten Schilf aufgelegt, die den Fußboden der Insel bilden. Aufgrund der Feuchtigkeit verrottet das Schilf schnell. Deshalb werden etwa alle 6 Wochen neue Schichten aufgelegt. Auf diese Weise kann eine Insel etwa 30 bis 35 Jahre lang bewohnt werden. Die Hütten werden ebenfalls aus Schilf gebaut. Eine Hütte besteht aus einem einzigen Raum und wird auf einem Podest errichtet, zum Schutz gegen Feuchtigkeit und Kälte. Zumeist wird eine Insel von drei bis zehn Familien bewohnt.
Eine Bewohnerin erläutert den Bau einer schwimmenden Insel. Sie zeigt einen Block aus Schilfwurzeln und belegt diesen mit Schilf, das den Fußboden der Insel bildet. Danach werden die Hütten gebaut.
Gekocht wird unter freiem Himmel. In einer Hütte ist das zu gefährlich, da das Schilf schon beim kleinsten Funkenflug in Brand geraten könnte. Selbst draußen steht immer Wasser bereit, um im Notfall sofort löschen zu können.
Das ursprüngliche Leben der Uros auf den Inseln war entbehrungsreich. Man lebte hauptsächlich vom Fischfang und der Jagd. Heute versuchen die Uros vom wachsenden Tourismus zu profitieren. Sie laden Besucher auf ihre Inseln ein, führen Bootstouren auf dem Titicacasee durch und verkaufen u.a. handgemachte Kleidungsstücke, Taschen (Chuspas), Teppiche und Souvenirs. Auch Unterkünfte für Touristen werden angeboten, einige mit Badezimmer und Dusche. Ein unfassbarer Luxus, verglichen mit der ursprünglichen Lebensweise der Uros. Auch die moderne Technik hat ihren festen Platz gefunden. Es gibt Motorboote, Solar-Panels und Mobilfunk.
Die jungen Uros bleiben für die ersten Schuljahre auf den Inseln, danach wechseln sie auf das Festland. Da der tägliche Weg zur Schule sehr aufwendig und teuer ist, organisieren die Familien Unterkünfte in der Stadt. Viele Jugendliche schätzen das Leben in der Stadt und möchten nicht mehr zurück. Sie studieren, arbeiten in Festanstellungen oder ziehen um in andere Orte. Die traditionelle Lebensweise wird zweifellos aussterben. Zurück bleibt eine Museumswelt für Touristen.
Auch der Zukunft des Titicacasees ist bedenklich. Die Wasserqualität leidet unter den Schadstoffen der Abwässer aus Puno und den mit Blei und Quecksilber belasteten Abwässer der Goldminen am See und seinen Zuflüssen. Zudem sind die Wasserstände des Titicacasees seit 2000 konstant gefallen. Die Ursache für diesen Rückgang liegt in einer Verkürzung der Regenzeit. Sie dauerte früher etwa 6 Monate, inzwischen nur noch rund 3 Monate. Der Global Nature Fund, eine internationale Stiftung für Umwelt und Natur mit Hauptsitz in Radolfzell am Bodensee, hat den Titicacasee 2012 und erneut im Jahr 2023 zum "Bedrohten See des Jahres" ernannt.
Titicaca-Taucher
(Rollandia microptera)
Rollandtaucher
(Rollandia rolland)
Andenruderente
(Oxyura ferruginea)
Rund um den Titicacasee leben mehr als 90 heimische Vogelarten, darunter auch der stark gefährdete Titicaca-Taucher (Rollandia microptera). Der Rückgang dieser flugunfähigen Vögel wird unter anderem mit dem Einsatz von engmaschigen Netzen der Fischer begründet. Die Tiere verfangen sich in den Netzen und können sich nicht mehr befreien. Darüber hinaus sorgt das Einschleppen fremder Fischarten durch Sportangler für eine Zurückdrängung einheimischer Fische und trägt so zur Veränderung der Mikrofauna bei. Immerhin, einen Titicaca-Taucher konnten wir fotografieren.
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