Das Maria Reiche Museum
Die Vorgeschichte
Maria Reiche, geboren am 15.05.1903 in Dresden, legt 1928 die höhere Lehramtsprüfung in den Fächern Mathematik, Physik, Philosophie, Pädagogik und Geografie ab. Sie bewirbt sich auf das Stellengesuch des deutschen Konsuls im peruanischen Cusco und bekommt die Stelle als Hauslehrerin. Im Dezember 1931 reist sie mit dem Schiff nach Peru. 1934 verlässt sie Cusco und geht nach Lima. Dort versucht sie mit Deutsch- und Englischstunden und Gymnastikunterricht über die Runden zu kommen und wird zudem mit der Übersetzung wissenschaftlicher Texte beauftragt. Mit Ablauf ihres Visums muss sie 1936 zurück nach Deutschland, kommt aber ein Jahr später wieder und bezieht zusammen mit ihrer Freundin Amy Meredith ein Haus in Lima. Sie arbeitet im Archäologischen Museum und übersetzt englische Artikel ins Spanische. 1939 trifft sie Professor Dr. Paul Kosok von der Long Island Universität in New York. Kosok erforscht alte Bewässerungsanlagen aus vorkolumbischer Zeit. Er erkennt schon früh, dass die Nasca-Linien zu flach waren, um als Teil eines Bewässerungssystems zu fungieren. Es ist überzeugt, es sind kalendarische und astronomische Zeichen.
1941 bietet Kosok Maria Reiche an, mit ihm gemeinsam nach Nasca zu reisen, um dort gezielt nach Linien zu suchen, die zum Sonnenauf- oder -untergang hinweisen konnten. Maria Reiche ist von den Linien derart fasziniert, dass sie beschließt, sich intensiver mit ihnen zu beschäftigen. Allerdings musste sie sich noch gedulden, denn bis zum dem Ende des Krieges 1946 war es Deutschen verboten, das Stadtgebiet von Lima zu verlassen.
Die Arbeit in der Wüste
Nach dem Krieg findet Maria Reiche eine primitive Herberge in Nasca. Jeden Morgen trampt sie bereits deutlich vor Sonnenaufgang auf Lastwagen von der Stadt in die Wüste. Im Juni 1946 findet sie die Zeichnung einer Spinne. Der Wind hatte im Laufe der Jahrhunderte eine dünne Schicht von kleinen Steinen über die Wüste geweht, daher war die Zeichnung nur schwer zu erkennen. Tag für Tag wandert sie alleine durch die Wüste, entdeckt weitere Figuren, die sie vermisst und skizziert. Sie leiht sich einen Theodolit (ein Winkelmessgerät das zur Landvermessung verwendet wird) von einer Universität in Lima. Es entsteht eine reichhaltige Sammlung von Notizen, Berechnungen, Skizzen und Zeichnungen.
Maria Reiche bekommt zunehmend Probleme mit der Finanzierung ihrer Arbeit, denn sie hat keinerlei Ersparnisse. Das wenige, dass sie für die Erstellung von Plänen und Berechnungen für Paul Kosok bekommt, reicht nicht aus. Durch ein wissenschaftliches Stipendium in den USA erhält sie ein wenig Unterstützung, um die Ausgaben für die Fahrten nach Nasca, die Kosten für Geräte und Schreibmaterial und einen Teil des einfachen Lebensunterhalts abzudecken. Um Zeit und Geld zu sparen, gibt sie ihren Wohnsitz in Lima auf und bezieht ein ehemaliges Wächterhäuschen, das ihr der Eigentümer kostenlos zur Verfügung stellt. Nach gründlicher Reinigung hat sie nun eine eigene Unterkunft, allerdings ohne Strom, Wasser und Toilette, aber immerhin einen Bach hinter dem Haus. Ein Ort, an dem die Lebensqualität auf ein Minimum reduziert ist und sie sich heftig gegen Mäuse wehren muss, die an Lebensmitteln und Zeichnungen knabbern. Hier lebte sie fast fünfzehn Jahre.
1949 erschien ihr Buch „Mystery on the desert“ in Deutsch, Englisch und Spanisch. Im Jahr 1955 ermöglicht ihr die peruanische Luftwaffe den ersten Helikopterflug über die Wüste. Mit einem "Elefanten von Kamera", wie sie es formulierte, hat sie sich auf die Querbalken des Helikopterschlittens mit Tauen anbinden lassen, um erste Luftaufnahmen zu machen. Nach diesem Flug war sie überzeugt, dass die Figuren in die Wüste gezeichnet wurden, um von oben betrachtet zu werden. Von Zeit zu Zeit nimmt die peruanische Luftwaffe sie zu Übungsflügen mit, um weitere Aufnahmen zu machen. Im Laufe der Jahre entdeckt sie über 40 Figuren, darunter den neunzig Meter großen Affen mit aufgerolltem Schwanz. Die Figuren sind eher Zufallsfunde, denn ihr Augenmerk gilt den kilometerlangen schnurgeraden Linien. Sie vermisst weit über tausend Linien und erstellt dreiundfünfzig Notizbücher und zahlreiche Karten.
1973 ergibt sich eine günstige Wohnmöglichkeit in einem Hotel in Nasca. Als Gegenleistung gibt sie abendliche Vorträge für Touristen. 1975 zieht sie fest in dieses Hotel. Sie bekommt das Wohnrecht auf Lebenszeit von der peruanischen Regierung.
Als später ihre Sehkraft nachlässt, konzentriert sie sich mehr auf die Figuren. Immer wieder versucht sie herauszufinden, welche Maßeinheit vor zweitausend Jahren verwendet wurde, um die komplizierten Zeichnungen derart exakt anfertigen zu können. Es musste definitiv ein Körpermaß gewesen sein, so wie es auch andere Kulturen weltweit verwendeten. Durch eine Vielzahl von Messungen, Vergleichen und Analysen gelingt es ihr tatsächlich. 1974 beschreibt sie es wie folgt: „... es ergibt sich ein Maß von 32,5 cm, das wie folgt vom menschlichen Körper ableitbar ist: Eine Schnur, zwischen Daumen und Zeigefinger festgehalten, wird zur inneren Armbeuge gezogen. Verdoppelung dieser Strecke bedeutet Armlänge, Halbierung die Spanne zwischen Daumen und Zeigefinger.“
Mitte der achtziger Jahre muss sie ihre Arbeit aufgeben. Der Grüne Star schränkt ihre Sehkraft so stark ein, dass sie nicht mehr ohne fremde Hilfe arbeiten kann. Sie erblindet allmählich und es zeigen sich erste Anzeichen der Parkinsonschen Krankheit. Ihre Schwester Renate, die als Ärztin in Stuttgart lebt, löst ihre Wohnung auf und kommt nach Peru, um sie zu betreuen.
Maria Reiche stirbt am 8. Juni 1998, drei Jahre nach ihrer Schwester. Die ganze peruanische Nation trauert. Sie bekommt ein Staatsbegräbnis und den höchsten Orden Perus, den „Sonnenorden“. Sie wird im Garten ihrer ehemaligen Hütte neben ihrer Schwester Renate beigesetzt. Die Hütte und der angrenzende Garten sind heute in staatlicher Verwaltung und bewahren ihr Andenken in Form des „Museo Maria Reiche“.
In der Ausstellung sind einige ihrer Zeichnungen, Bilder, Werkzeuge und Hilfsmittel zu sehen. In den Vitrinen befinden sich Fundstücke aus Ausgrabungen. Im angrenzenden Garten steht der alte VW-Bus, der von einer amerikanischen Stiftung gespendet wurde. Damit konnte sie unabhängig von anderen Mitfahrgelegenheiten in die Wüste fahren und ihre Ausrüstung bequem transportieren. Ebenfalls im Garten befindet sich das Grab von Renate und Maria Reiche.
Hände (manos)
Affe (mono)
Kuriose Übereinstimmung:
Maria Reiche verlor einen Finger aufgrund einer Infektion. Die Scharrbilder "Hände" und "Affe" zeigen das gleiche Erscheinungsbild: 5 Finger an der einen, 4 Finger an der anderen Hand.
Eine Mumie mit Tätowierungen
Anstrengungen zum Schutz der Nasca-Linien
Zu Beginn ihrer Arbeiten wurde Maria Reiche von den Bewohnern von Nasca belächelt. Sie fanden es amüsant, dass die deutsche Gringa mit einem Besen in der Wüste unterwegs ist, um irgendwelche Linien vom Staub zu säubern. Und das bei gleißender Sonne und Temperaturen bis vierzig Grad, nur mit ein paar Nüssen oder etwas Obst im Beutel.
1955 verhinderte sie ein Bewässerungsprojekt für Baumwollplantagen in der Wüste. Im Laufe der Jahre kamen immer mehr Touristen nach Nasca, die ungestüm durch die Wüste liefen und die Zeichnungen gefährdeten. 1967 hält Maria Reiche einen Vortrag an der Universität von London zur Verhinderung der Zerstörung der Wüstenzeichnungen.
1970 versuchte Maria Reiche vergeblich beim Amerikanistenkongress in Lima den Schutz der Zeichnungen sicherzustellen, worauf sie selbst Wachpersonal finanzierte. Zusammen mit ihrer Schwester Renate ließ sie direkt an der Panamericana einen Aussichtsturm bauen, damit die Touristen einige Zeichnungen sehen können, ohne durch die Wüste zu laufen. Dieser Turm ist mittlerweise gesperrt, dafür wurde auf der anderen Straßenseite ein neuer, noch höherer Turm errichtet. Erst 1994 wurden die Nasca-Linien von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.
In Anerkennung ihrer Arbeit erhielt Maria Reiche die Ehrendoktorwürde von fünf Universitäten, die höchsten Auszeichnungen der peruanischen Regierung und das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland. Die peruanische Staatsbürgerschaft wurde ihr ehrenhalber verliehen, da sie die deutsche Staatsbürgerschaft nie abgelegt hat. 1996 wird in Miraflores an der Küste von Lima, eine Parkanlage "Park Maria Reiche" eröffnet. Am 24. August 2021 wurde ein Asteroid nach ihr benannt: "(369134) Mariareiche".
Das Grab von Renate und Maria Reiche
Der alte VW-Bus wurde gespendet von einer amerikanischen Stiftung
Literaturhinweise
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maria-reiche.de
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Chronik des Vereins „Dr. Maria Reiche – Linien und Figuren der Nasca-Kultur in Peru“ e. V
- Casa museo de María Reiche (kurzes Video zum Museum in Spanisch)
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