Die Inka-Stadt Machu Picchu
Man ging lange davon aus, dass Machu Picchu in den 1450er Jahren erbaut wurde. Neuere Studien ergaben, dass der Ort schon 1420 bewohnt gewesen sein könnte. Unstrittig ist, dass der neunte Inka-Herrscher Pachacútec Yupanqui den Bau in Auftrag gab. Die Hauptstadt der Inkas zu dieser Zeit war Cusco. Das neue Anwesen sollte als Rückzugsort dienen, für die Familie und höchstwahrscheinlich einen ganzen Stab von Aristokraten, Beamten und Bediensteten.
Pachacútec Yupanqui regierte von 1438 bis 1471. Er schuf die Grundlagen für die Ausdehnung des mächtigen Inkareiches vom Titicacasee bis in die heutige Region Junín in den zentralperuanischen Anden. Auch der Kult um den Sonnengott Inti, in der Quechua-Sprache "Vater Sonne" genannt, geht auf ihn zurück. Dabei wird der herrschende Inka als Inkarnation von Inti betrachtet. Alljährlich wurde zur Wintersonnenwende am 21. Juni das Fest der Sonne (Inti Raymi) in der Inkahauptstadt Cusco gefeiert. Das Inti-Symbol ist noch heute auf den Flaggen von Uruguay und Argentinien zu sehen. Auch die peruanische Währung orientiert sich am Sonnengott. Von 1863 bis 1984 hieß die Währung "Sol de Oro", später "Inti" und "Nuevo Sol" und seit 2015 nur noch "Sol".
Die Inkas erbauten die Stadt zwischen dem Machu Picchu, in der Quechua-Sprache "der alter Berg" und dem Huayna Picchu "der junge Berg". Eine Studie aus dem Jahr 2021 legt nahe, dass die Stätte von den Erbauern wahrscheinlich „Huayna Picchu“ oder einfach „Picchu“ genannt wurde. Die heutige Bezeichnung hängt vermutlich zusammen mit den Veröffentlichungen des Amerikaners Hiram Bingham III, dem vermeintlichen Entdecker von Machu Picchu aus dem Jahr 1911.
Machu Picchu
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Wirklich vollendet wurde die Anlage nie. Da es keine Zerstörung und keine Gewaltausübung gab, kann man davon ausgehen, dass die Aufgabe freiwillig erfolgte. Man geht davon aus, dass die Bevölkerung von Machu Picchu die Stätte während der Vilcabamba-Kriege (1532 bis 1572 n. Chr.) nach und nach verließ. 1533 kamen die Spanier nach Cusco. Der 15. Inka-Herrscher Manco Cápac II begann im Februar 1536 mit der Belagerung von Cusco, um die Spanier zu vertreiben. Das misslang und die Inkas zogen sich zurück nach Vilcabamba. Vilcabamba gilt als der letzte Rückzugsort der Inka in Peru, wurde letztlich am 24. Juli 1572 von den Spaniern erobert. Die Inka brannten ihre Stadt ab, weshalb Vilcabamba als die "verlorene Stadt" bezeichnet wurde.
1981 erklärte Peru ein Gebiet von 325,92 Quadratkilometern um Machu Picchu zum historischen Schutzgebiet. Die UNESCO erhob Machu Picchu 1983 zum Weltkulturerbe und bezeichnete es als „ein Meisterwerk der Kunst, des Städtebaus, der Architektur und der Technik“ und „ein einzigartiges Zeugnis“ der Inkazivilisation. Zum Schutzgebiet gehört auch der Putucusi, "der glückliche Berg, vom den es einen grandiosen Blick auf Machu Picchu gibt. Der 1,5-stündige Fußmarsch auf den Berg führte über etwa 1.700 Holz- und Felsstufen, darunter mehrere vertikale Holzleitern. Im Juni 2016 wurde der Zugang aufgrund mangelnder Instandhaltung verboten. Alle Leitern sind zerstört. Nun ist es unmöglich und extrem gefährlich, ohne professionelle Kletterausrüstung hinaufzusteigen. Lokale Ranger überwachen das Gebiet, um unbefugten Zugang zu verhindern und Unfälle zu vermeiden. Einen wunderbaren Blick auf Machu Picchu ergibt sich auch vom Huayna Picchu, dem "kleinen Berg". Der Weg hinauf ist steil und anspruchsvoll, aber im Vergleich zum Putucusi harmlos. Man nimmt an, dass der Berg als Überwachungspunkt zum Schutz von Machu Picchu diente.
Die bebaute Fläche von Machu Picchu ist 530 Meter lang, 200 Meter breit und enthält mehr als 200 steinerne Bauten. Der Komplex ist in große Zonen unterteilt: die landwirtschaftliche Zone und die städtische Zone. Die beiden Bereiche sind durch eine 400 m lange Mauer getrennt. Parallel zur Mauer verlaufen eine Treppe und daneben ein Graben, der der Hauptentwässerung diente. Auf dem gesamten Stadtgebiet gibt es 129 Entwässerungskanäle, von denen die meisten in diesem Graben münden.
Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass die Erbauer astronomische und rituelle Kriterien für den Bau berücksichtigten. Das zeigt die Ausrichtung wichtiger Gebäude mit dem Sonnenaufgangs- und Sonnenuntergangspunkten.
Alle erhaltenen Konstruktionen bestehen aus Granit, der aus Steinbrüchen in der Umgebung stammt. Der Granit wurde mit Steinhämmern bearbeitet und durch Sandabrieb geglättet. Die einzelnen Blöcke wurden mit Lehmmörtel verbunden und ggf. mit Spangen und anderen Bronzewerkzeugen zusätzlich befestigt. Eisenwerkzeuge wurden im alten Peru nicht verwendet.
Blick auf die städtische Zone, im Vordergrund die Treppe zwischen landwirtschaftlicher und städtischer Zone
Es gilt als sicher, dass die meisten Gebäude ein Giebel- oder Walmdach hatten, das mit Federgras (Stipa ichu) bedeckt war. Um die häufigen Regenfälle auszuhalten, mussten diese Dächer eine Neigung von 50º bis 65º aufweisen, daher waren sie oft doppelt so hoch wie der Rest des Gebäudes. Das Federgras musste alle 3 bis 4 Jahre ersetzt werden.
Fast alle Gebäude haben einen rechteckigen Grundriss. Es gibt nur wenige gebogene und runde Bauten. Die meisten Gebäude haben die Türen und Fenster in Trapezform. In den Mauern befinden sich trapezförmige Nischen für Gegenstände des täglichen Bedarfs oder Dekorationen. Viele Mauern sind nach innen geneigt und unten an der Basis breiter als oben. Die Baumeister waren überzeigt, dass die Trapez-Form die größtmögliche Stabilität gewährleistet. Das hat viele Jahrhunderte funktioniert.
Inzwischen sind einige Teile der Anlage akut gefährdet und für Besucher gesperrt. Die größte Gefahr geht vom Massentourismus aus. Jährlich bringen 1,5 Millionen Besucher viel Geld mit, gefährden aber gleichzeitig den Fortbestand der Anlage.
Das Wachhaus, auch Wärterhütte genannt, war ein strohgedecktes Gebäude mit 3 Wänden und einer offenen Seite. Es wurde von Soldaten benutzt um den Zugang zum Stadttor zu kontrollieren. Wenige Schritte entfernt befindet sich ein Felsen, in den Stufen wie Treppen gehauen sind. Es wird vermutet, dass dort wichtige Personen einbalsamiert wurden, um ihre Mumien später auf dem nahegelegenen Friedhof zu bestatten.
Der Hauptplatz
Der Hauptplatz trennt gut sichtbar die verschiedenen sozialen Klassen in Machu Picchu. Der obere Sektor "Hanan" war für die Aristokratie und enthält den heiligen Patz, den Sonnentempel, die Königliche Residenz und die Intihuatana-Pyramide. Im unteren Sektor "Hurin" befinden sich Werkstätten, Fabrikhäusern, Lagerstätten, Kerker und Häuser für Handwerker und Bedienstete. Neben dem trennenden Aspekt erfüllt der Hauptplatz auch eine verbindende Aufgabe. Er bietet die Möglichkeit, dass sich alle Bewohner und Gäste für Feierlichkeiten an einem Ort versammeln können. Der Platz ist groß genug für schätzungsweise 700 bis 1.000 Personen. Die Terrassen funktionieren wunderbar als Tribünen, auf denen man die Feierlichkeiten und religiöse Zeremonien aus verschiedenen Perspektiven verfolgen konnte.
Der Hauptplatz zwischen Hanan (links) und Hurin (rechts)
Hauptplatz zwischen Intihuatana und dem nördlichen Teil von Hurin
Die Wasserversorgung
Kanäle sammelten das Wasser aus den Quellen im Umland und von den häufigen Regenfällen und verteilten es in die Brunnen der Stadt. Wasser war lebenswichtig für die Bewohner, für die Bewässerung der Terrassen und für religiöse Zeremonien. Für die Inkas war das Wasser ein Element der Reinigung des Geistes. Die Priester führten an den heiligen Brunnen Rituale durch. Um das Wasser von den fast einen Kilometer entfernten Quellen zu transportieren, wurde zunächst eine fast 15 Meter lange Mauer gebaut, die das Wasser zurückhielt und es dann in eine steinerne Rinne filterte. Ein zusätzliches System sammelt den vom Berg herabfließenden Regen und leitet ihn ebenfalls in die Rinne ein.
Wasserkanal
Bausteine für Wasserkanäle
Diese Rinne ist fünf Zentimeter breit, fünf Zentimeter tief und kann rund 300 Liter Wasser pro Minute transportieren. Das Wasser landet dann im ersten Brunnen der Stadt. Das war vermutlich der Brunnen an der Residenz von Pachacútec, damit dessen Versorgung als erste sichergestellt ist. Von dort aus werden weitere Brunnen versorgt. Jeder Brunnen ist so gestaltet, dass er einen Wasserstrahl bildet um einen Tonkrug auffüllen zu können. Jeder Brunnen konnte von jedem Bewohner genutzt werden, mit Ausnahme des Brunnens von Pachacútec. Dieser war nur für ihn und die Personen aus seinem engsten Umfeld zugänglich.
Die landwirtschaftliche Zone
Eine steinerne Stadt, die zwischen zwei Bergen erbaut wurde, in einer Region, die ständigen Erdbeben und das ganze Jahr über starken Regenfällen ausgesetzt ist, stellt gleich mehrere Herausforderungen an die Erbauer. Um zu verhindern, dass der gesamte Komplex zusammenbricht, wurde ein gut durchdachtes Drainagesystem umgesetzt. Der landwirtschaftliche Bereich wurde terrassenförmig angelegt. Eine Terrasse besteht aus einer Stützmauer, hinter der verschiedene Materialschichten verfüllt wurden. Unten große Steine, darauf kleinere Steine, Schutt, Lehm und oben die kultivierte Erde. So wurde die erforderliche Bewässerung sichergestellt und gleichzeitig verhindert, dass sich das Regenwasser staut. Im städtischen Bereich gibt es ebenfalls Terrassen, die aber eher zur Absicherung der Gebäude gedacht waren, weniger zum landwirtschaftlichen Nutzen. Man schätzt, dass sechzig Prozent des Bauaufwands von Machu Picchu darauf entfielen, die Fundamente für die Terrassen zu errichten.
Die Terrassen für die landwirtschaftliche Nutzung sind meist zum Sonnenaufgang hin ausgerichtet, wodurch die Sonneneinstrahlung am Morgen besser genutzt wird. Die Inkas führten gezielte Versuche durch, um herauszufinden, mit welchen Pflanzenarten der größte mögliche Nutzen erzielt werden kann. Die landwirtschaftliche Zone besteht aus 40 Terrassen, die jeweils etwa 3,50 Meter hoch und 3,00 Meter breit sind. Die Stützmauern konnten zudem die Wärme der Sonne speichern und an die Pflanzen abgeben. Bearbeitet wurden die Felder mit der Chaquitaclla, einem hölzernen Pflug mit einer sehr harten Spitze. Dieses Werkzeug wird auch heute noch verwendet, allerdings mit einer eisernen Spitze.
Die Lagerhäuser wurden direkt an die Terrassen gebaut, um Lebensmittel wie zum Beispiel Getreide, getrocknete Kartoffeln oder gesalzenes Fleisch aufzubewahren. Der Bau dieser Lagerstätten war recht aufwendig, da sie eine größtmögliche Luftzirkulation erreichen mussten, damit die Lebensmittel frisch gehalten werden konnten. Form und Größe der Lagerhäuser standen in engem Zusammenhang mit dem Produkt, das darin gelagert werden sollte: Knollen wurden in rechteckigen Colcas gelagert, während Mais immer in runden Colcas aufbewahrt wurde.
Die städtische Zone
Das Stadtgebiet lässt sich in einen oberen (Sektor Hanan) und einen unteren (Sektor Hurin) Bereich unterteilten. Um die beiden Bereiche ausreichend zu würdigen, haben wir jeweils eine eigene Seite aufbereitet:
Die Geschichte der Entdeckung von Machu Picchu
Die Entdeckung von Machu Picchu wird i.d.R. mit Hiram Bingham III in Verbindung gebracht. 1911 leitete er eine kleine Expedition auf der Suche nach der verlorenen Stadt Vilcabamba, dem letzte Rückzugsort der Inka in Peru. Von Cusco aus folgte einer Spur, die nach Aussagen lokaler Bauern hoch in die Berge führte. In den Jahren 1912 und 1913 begann Bingham damit, die Stadt freizulegen. Da die Stadt auf dem Berg namens Machu Picchu gefunden wurde, setzte sich dieser Name in den Publikationen durch. Dennoch war Bingham sicher, Vilcabamba gefunden zu haben, nur Beweise dafür hatte er nicht. Heute wissen wir, dass "die verlorene Stadt der Inkas" etwa 120 Kilometer westlich von Cusco in einem schwer zugänglichen Gebiet mitten im Dschungel liegt.
Bingham tat viel, um Machu Picchu populär zu machen. Er machte zahlreiche Fotos und veröffentlichte ein Buch. Im April 1913 widmete die National Geographic Society die gesamte Ausgabe diesem Ort und machte ihn weltweit bekannt. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Bingham schamlos plünderte und viele Artefakte, Gold, Grabbeigaben und Mumien nach Amerika schaffte. Erst 2008 wurde zwischen den USA und Peru eine Vereinbarung über die Rückgabe der Funde getroffen. Einige dieser Funde sind im Museo Machupicchu Casa Concha in Cusco zu sehen.
Bingham hat sich und Machu Picchu brillant vermarktet, aber sein Entdecker war er nicht. Er nutzte zahlreiche Informationen aus früheren Aufzeichnungen und Erzählungen zu seinen Gunsten. 1865 veröffentlichte der Italiener Antonio Raimondi eine Landkarte, auf der Machu Picchu eingetragen und namentlich gekennzeichnet war. 1867 wurde Machu Picchu vom Deutschen Augusto Berns entdeckt, der mit seiner Firma für dieses Gebiet Goldschürfrechte besaß. Am 14. Juli 1902 (neun Jahre vor Bingham) führte der peruanische Landwirt Agustín Lizárraga eine Gruppe Arbeiter auf der Suche nach neuen Anbauflächen in die Berge. Dort stießen sie auf die Steinmauern alter Gebäude. Er ahnte, dass diese Gebäude einen Wert haben könnten und hinterließ eine mit Holzkohle angefertigte Inschrift auf einem der Steine des Tempels der drei Fenster: „A. Lizárraga 1902". Bingham entdeckte diese Inschrift 1911 und vermerkte sie zunächst in seinem Tagebuch. Später ließ er sie "aus konservatorischen Gründen" entfernen und erwähnte sie in keinem offiziellen Dokument.
2007 suchen Journalisten nach Nachkommen von Personen, die an Binghams Expedition nach Machu Picchu teilgenommen haben. Der damals 90-jährige Germán Echegaray Lizárraga war ein Großneffe und die einzige lebende Verbindung zu A. Lizárraga. Er hatte ein Foto des wahren Entdeckers und kannte die Geschichte der verschwundenen Inschrift und die Hintergründe, warum sie selbst in der Ausgabe der National Geographic verheimlicht wurde. Bingham wollte selbst als Entdecker von Machu Picchu in die Geschichte eingehen.
Agustín Lizárraga kam im Februar 1912 unter merkwürdigen Umständen ums Leben. Auf dem Weg zu seinen Maisfeldern musste er den Fluss Urubamba über eine Brücke überqueren. Diese "Brücke" bestand aus mit Seilen und Schnüren gebundenen Baumstämmen und Stöcken. Er stürzte von der Mitte der Brücke und wurde den reißenden Fluss hinuntergespült. Seine Leiche wurde nie gefunden.
2002 reichte der ehemalige Bürgermeister von Cusco, Daniel Estrada, im Kongress einen Antrag ein, in dem er die offizielle Anerkennung von Agustín Lizárraga und seinen Begleitern Gabino Sánchez, Justo Ochoa und Enrique Palma als Entdecker von Machu Picchu beantragte. In diesem Antrag wurde auch vorgeschlagen, die peruanische Anwesenheit am 14. Juli 1902 am Machu Picchu im Sinne der damaligen Zeit zu würdigen. Im Juli 2011verlieh die Provinzverwaltung von Cusco Agustín Lizárraga posthum die Medalla Centenario de Machupicchu para el mundo (Hundertjahr-Medaille von Machu Picchu). Diese Auszeichnung beruhte auf seinen „Verdiensten und Beiträgen zur Entdeckung des historischen Heiligtums von Machu Picchu“.
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