Vulkansysteme und Geothermalgebiete in Island
Island ist eine von mehreren Inseln bzw. Inselgruppen des Mittelatlantische Rückens. Der Mittelatlantische Rücken ist eine rund 20.000 km lange, zumeist unterseeische Gebirgskette im Atlantischen Ozean. Der Kamm des Mittelatlantischen Rückens liegt im Schnitt etwa 1500 bis 3000 Meter unter der Wasseroberfläche.
Die höchsten Erhebungen dieser Gebirgskette bilden den heute sichtbaren Teil über der Wasseroberfläche. Neben Island sind das u.a. die Azoren, Jan Mayen, St. Helena und die Bouvetinsel. Der Mittelatlantische Rücken ist nach wie vor tektonisch aktiv, bedingt durch die Ausbreitung des Meeresbodens (Ozeanbodenspreizung).
Island liegt exakt an der Schnittstelle der Nordamerikanischen und der Eurasischen Platte. Diese Schnittstelle verläuft beinahe diagonal von Südwesten nach Nordosten über Island. In unmittelbarer Nähe dieser Schnittstelle befinden sich die meisten der rund 30 aktiven Vulkane. Ein Vulkan gilt als aktiv, wenn er innerhalb der letzten 10.000 Jahre ausgebrochen ist. Der vermutlich bekannteste ist Eyjafjallajökull, der 2010 mit seiner Aschewolke den Flugverkehr in weiten Teilen Nord- und Mitteleuropas zum Erliegen brachte.
Die Nordamerikanische und die Eurasischen Platte bewegen sich auseinander, jährlich etwa zwei Zentimeter. Durch das Auseinanderdriften bilden sich Spalten bzw. Gräben. Der sogenannte Island-Plume sorgt für ständigen Nachschub von geschmolzenem Gesteinsmaterial aus dem Erdinneren, weshalb die Insel nicht auseinanderbricht.
Der Mittelatlantische Rücken in Island
Die Folgen der tektonischen Aktivitäten lassen sich auf der Halbinsel Reykjanes (Reykjanesskagi>) im Südwesten Islands gut beobachten. Sie liegt direkt über der Riftzone zwischen der Nordamerikanischen und der Eurasischen Kontinentalplatte. Man sagt, genau hier käme der Mittelatlantische Rücken "an Land".
An der Straße 425 (Nesvegur) nahe Sandvik wurde eine symbolische Fußgängerbrücke "Brú milli heimsálfa" (Bridge between Continents) errichtet. Sie gilt als Symbol für die Verbindung zwischen Europa und Nordamerika und führt über einen Graben zwischen den beiden Kontinentalplatten. Hier kann man somit trockenen Fußes zwischen Europa und Nordamerika pendeln.
Willkommen auf der Eurasischen Platte
links die Nordamerikanische, rechts die Eurasische Platte
Die Brücke zwischen den Kontinenten
Die weiträumigen Lavafelder auf Reykjanes sind die Boten aus der Vergangenheit. Sie gehören zum im Vulkansystem Krýsuvík und bedeckten 36 km². Eine größere Ausbruchsserie wird auf die Zeit zwischen 1151 und 1188 datiert. Die vermutlich letzte Eruption fand im Jahre 1340 statt. Seitdem hat sich lediglich eine spärliche Vegetationsschicht gebildet. Nahezu 800 Jahre hat es auf Reykjanes keine Vulkanausbrüche gegeben. Das änderte sich schlagartig ab März 2021. In der Nähe des Fagradalsfjall kam es 2021, 2022 und 2023 zu Ausbrüchen. Die rund 4.000 Einwohner der Hafenstadt Grindavik wurden Ende 2023 und Anfang 2024 gleich zweimal evakuiert, mehrere Häuser wurden vom Lavastrom zerstört.
Auf der Halbinsel Reykjanes sind mehrere aktive Vulkansysteme (oder Vulkanfelder) vorhanden. Es handelt sich dabei nicht um einzelne Vulkane, sondern um Gruppen von Vulkanen, die durch unterirdische Kanäle verbunden sind. Eines dieser Vulkansysteme ist Reykjanes, zu dem das Hochtemperaturgebiet Gunnuhver gehört. Gunnuhver ist der vermutlich heißeste Ort Islands. In einer Tiefe von 1.000 Metern wurde eine Temperatur von 300 °C gemessen. Es gibt Schlammquellen und Fumarolen. Die Energie des Vulkansystems wird in im Geothermalkraftwerk Suðurnes genutzt. Insgesamt gibt es sieben größere und zwei kleine geothermale Kraftwerke in Island. Mit Erdwärme und Wasserkraft kann fast 100 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbaren Quellen abgedeckt werden. Im Jahr 2015 wurde die Region aufgrund ihrer geologischen Einzigartigkeit mit dem Label UNESCO Global Geopark zertifiziert.
Gunnuhver
Island ist bekannt für zahlreiche Geschichten rund um Trolle, Elfen, Geister und Feen. Geprägt von den harschen Lebensbedingungen werden viele diese fantastischen Geschichten schon seit dem 12. Jahrhundert erzählt und von Generation zu Generation weitergegeben. Auch der Name des Hochtemperaturgebietes Gunnuhver steht in Verbindung mit einer Sage vom Gespenst Guðrun Önundardóttir, genannt Gunna. Die nachfolgende deutsche Übersetzung wurde unverändert von einer Hinweistafel an Gunnuhver entnommen:
"Die im Jahr 1703 von Arni Magnússon durchgeführte Volkszählung verzeichnet Gunna als Bewohnerin der Kate Kirkjuból in Sandgerði, die zum Besitz des Rechtsgelehrten Vilhjálmur Jónsson zählte. Weil Gunna ihm etwas schuldig blieb, beschlagnahmte er ihren einzigen Besitz, einen Topf. Daraufhin verlor Gunna den Verstand und starb, nachdem sie den Genuss von Weihwasser abgelehnt hatte. Als die Sargträger Gunnas Sarg von Kirkjuból abholten, registrierten sie, dass dieser auf halber Strecke zum Friedhof deutlich leichter wurde. Während ihr Grab ausgehoben wurde, war zu vernehmen: „Nicht tief graben, will nicht lange liegen.“ Die Männer glaubten Gunna als Gespenst zu erkennen. In der Nacht wurde der Gesetzeskundige Vilhjálmur blau und tot und mit gebrochenen Knochen im Freien gefunden. Offenbar ging Gunna um und rächte sich. Nach diesem Vorfall spukte es mächtig auf der Halbinsel. Vilhjálmurs Frau starb kurz danach, andere wurden verrückt und einige starben, nachdem Gunna ihnen erschienen war. Schließlich suchte man Rat beim Pastor Eiríkur von Vogsósar, der als zauberkundig galt und Gunna bannen sollte. Er gab den Ratsuchenden ein Knäuel. Gunna sollte das lose Ende fassen und dann sollte der Knäuel an eine Stelle rollen, wo Gunna keinen Schaden anrichten vermochte. Das gelang, und als man Gunna das letzte Mal sah, stürzte sie hinter dem Knäuel in die Quelle, die seitdem Gunnuhver heißt. Hellsichtige haben Gunna auf dem Kraterrand balancieren sehen oder gehört, wenn ihr der Fall droht."
Damit ist der Spuk offiziell vorbei, aber wer weiß das schon? Möglicherweise balanciert sie ja doch ab und an am Kraterrand.
Gunnuhver
Mit mehr als 600 Heißwasserquellen hat Island mehr heiße Quellen als jedes andere Land der Welt. Die gesamte Stromerzeugung und mehr als 80 Prozent des Energieverbrauchs stammen aus erneuerbaren Energiequellen. Ein weiteres Beispiel ist das Solfatarengebiet Seltún im Vulkansystem Krýsuvík, erreichbar über die Straße 42 (Krýsuvíkurvegur). Solfatare sind Fumarolen, die reich an Schwefelverbindungen sind. Der austretende Schwefelwasserstoff ist verantwortlich für den typischen Geruch nach faulen Eiern. Die abgelagerten Mineralien sorgen für die Färbung der Sedimente. Die blubbernden Schlammtöpfe haben an der Oberfläche eine Temperatur von 80 bis 100 °C.
Nur wenige hundert Meter von Seltún entfernt, führt die Straße 42 (Krýsuvíkurvegur) zum westlichen Ufer des 10 km² großen Kleifarvatn-Sees. Auch er gehört zum Vulkansystem Krýsuvík. Mit ca. 97 Metern ist er einer der tiefsten Seen Islands. Schon häufiger wurden erhebliche Schwankungen des Wasserspiegels beobachtet, zuletzt im Jahr 2000, als sich die Fläche nach einem Erdbeben um ein Fünftel reduzierte. Es wird vermutet, dass sich unter der Wasseroberfläche Spalten öffneten und ein Teil des Wassers versickerte. Meist steigt der Wasserspiegel nach einiger Zeit wieder an. Die Geschichte besagt, dass ein Ungeheuer in Form eines Wurms und von der Größe eines mittelgroßen Wals im See lebt.