Squamata (Schuppenkriechtiere)

Die Systematik der Schuppenkriechtiere (Squamata) [OPPEL, 1811]

Mit rund 11.000 Arten stellen die Schuppenkriechtiere einen erheblichen Teil der Landwirbeltiere. Etwa 96% aller rezenten Reptilienarten zählen zu den Schuppenkriechtieren. Die Benennung beschreibt die Beschuppung der Epidermis (= der Oberhaut). Sie dient als Schutzschild gegen infektiöse Erreger und schützt vor Austrocknung. Reptilien wachsen lebenslang. Da die Epidermis nicht mit wächst, wird sie regelmäßig erneuert. Nachdem eine neue Epidermis gewachsen ist, wird die alte Haut abgestreift, bei vielen Echsen in Fetzen. Schlangen streifen die Haut oft im Ganzen ab. Viele Geckos fressen sie unmittelbar nach der Häutung auf.

Die Struktur der Schuppenkriechtiere basiert auf The phylogeny of squamate reptiles (lizards, snakes, and amphisbaenians) inferred from nine nuclear protein-coding genes [Nicolas Vidal & Blair Hedges, 2005].

Als erste Gruppe sind die Schlangenschleichen (Dibamia) gelistet. Sie haben als einzige Schuppenkriechtiere eine einspitzige Zunge.
Alle anderen Schuppenkriechtiere werden in das Taxon Bifurcata gestellt. Diese haben eine in unterschiedlichem Ausmaß ausgeprägt zweispitzige Zunge.

Die Bifurcata teilen sich in die Geckoartigen, deren Schlüpflinge einen paarigen Eizahn besitzen, und die Unidentata, die nur einen Eizahn haben.

Innerhalb der Unidentata werden Scincomorpha und Episquamata unterschieden. Zu den Scincomorpha gehören Skinke, Gürtelechsen, Schildechsen und Nachtechsen. Die Episquamata setzen sich zusammen aus Laterata mit Zwergtejus und Schienenechsen und Toxicofera.

Zu den Toxicofera gehören die Schlangen, die Leguanartigen und die Schleichenartigen. Die Fähigkeit Toxine (=Gift) zu erzeugen, wurde nur einmal im Verlauf der Stammesgeschichte entwickelt. Der gemeinsame Vorfahre aller Toxicofera soll vor etwa 230 bis 200 Millionen Jahren gelebt haben. 



Dibamia (Schlangenschleichenähnliche Kriechtiere) [GASC, 1968]

  • Dibamidae (Schlangenschleichen) [BOULENGER, 1884]
    Schlangenschleichen sind kleine, beinlose und wurmförmige Schuppenkriechtiere. Die Männchen haben stummelartige Hinterbeine, mit denen sie sich bei der Paarung an den Weibchen festhalten. Es sind zwei Gattungen beschrieben, Anelytropsis aus Mexiko und Dibamus aus Südostasien. Schlangenschleichen sind die einzigen Schuppenkriechtiere mit einer einspitzigen Zunge.



Bifurcata (Gabelzungenkriechtiere) [VIDAL & HEDGES, 2005]

Bifurcata haben im Unterschied zu Dibamia eine zweispitzige Zunge. Das gilt allerdings nicht für die Chamäleons, deren Zunge sekundär zu einem hochspezialisierten Fangapparat umgebildet ist.

Gekkota (Geckoartige) [CUVIER, 1817] bilder

Die Geckoartigen haben zahlreiche Besonderheiten. Ihre Lautäußerungen unterscheiden sich von Art zu Art. Der Tokeh (Gekko gecko) ist für seine sehr lauten Paarungsrufe bekannt. Die meisten Geckos der Familie Gekkonidae benutzen zwitschernde oder klickende Laute für ihre sozialen Interaktionen. Andere Arten sind in der Lage, zischende Geräusche von sich zu geben, wenn sie bedroht werden. Alle Geckos, mit Ausnahme der Arten der Familie Eublepharidae, haben keine Augenlider. Stattdessen besteht die Außenfläche des Augapfels aus einer durchsichtigen Membran, der Hornhaut. Sie haben eine feste Linse in jeder Iris, die sich bei Dunkelheit vergrößert, um mehr Licht durchzulassen. Da sie nicht blinzeln können, lecken Arten ohne Augenlider im Allgemeinen ihre Hornhaut ab, um sie von Staub und Schmutz zu befreien und sie sauber und feucht zu halten. Viele Arten sind für ihre spezialisierten Zehenballen bekannt, mit denen sie sich auf glatten Oberflächen und an der Zimmerdecke fortbewegen können. Es sind zwei Gruppen mit insgesamt sieben Familien und ca. 1.200 Arten beschrieben.

  • Pygopodomorpha (Flossenfußartige) [VIDAL & HEDGES, 2005]
  • Gekkomorpha [VIDAL & HEDGES, 2005]

Unidentata (Einzahnkriechtiere) [VIDAL & HEDGES, 2005]
Unidentata enthält Episquamata und Scinciformata und bezieht sich auf das Vorhandensein eines Eizahns, während die Geckoartigen einen paarigen Eizahn besitzen.

  • Scincomorpha oder Scincoidea (Skinkartige) [CAMP, 1923]
    • Familie Scincidae (Skinke) [GRAY, 1825] bilder
    • Cordylomorpha (Gürtelechsenartige) [VIDAL & HEDGES, 2005]
      • Familie Cordylidae (Gürtelschweife oder Gürtelechsen) [MERTENS, 1937] bilder
      • Familie Gerrhosauridae (Schildechsen) [FITZINGER, 1843] bilder
      • Familie Xantusiidae (Nachtechsen) [BAIRD, 1858]

  • Episquamata (Höhere Schuppenkriechtiere) [VIDAL & HEDGES, 2005]
    • Laterata (Fliesenschuppenträger) [VIDAL & HEDGES, 2005]
      Die Bezeichnung bezieht sich auf das Vorhandensein von fliesenartigen (quadratischen oder viereckigen) Schuppen.
      • Gymnophthalmoidea [FITZINGER, 1826] oder Teiformata [VIDAL & HEDGES, 2005]
      • Lacertibaenia [VIDAL & HEDGES, 2005]
        Lacertibaenia ist ein Kunstwort, das die Lacertiformata und die Amphisbaenia zusammenfasst.
        • Lacertiformata [VIDAL & HEDGES, 2005]
          • Familie Lacertidae (Echte Eidechsen) [GRAY, 1825] bilder
        • Amphisbaenia (Doppelschleichen) [GRAY, 1844]
          • Familie Amphisbaenidae (Eigentliche Doppelschleichen) [GRAY, 1865]
          • Familie Bipedidae (Zweifuß-Doppelschleichen) [TAYLOR, 1951]
          • Familie Blanidae [KEARNEY & STUART, 2004]
          • Familie Cadeidae [VIDAL & HEDGES, 2007]
          • Familie Rhineuridae (Florida-Doppelschleichen) [VANZOLINI, 1951]
          • Familie Trogonophidae (Spitzschwanz-Doppelschleichen) [GRAY, 1865]

    • Toxicofera (Giftdrüsenträger) [VIDAL  & HEDGES, 2005]
      Zur Gruppe der Toxicofera (toxine = „Gift“, ferre = „tragen“) zählen Schlangen, Schleichenartige und Leguanartige. Der gemeinsame Vorfahre aller Toxicofera soll vor etwa 230 bis 200 Millionen Jahren gelebt haben. Lange Zeit galten nur die Giftnattern, die Vipern, die Trugnattern und die Krustenechsen (Heloderma) als giftige Schuppenkriechtiere. Inzwischen wurde in Ober- und Unterkiefer der Östlichen Bartagame (Pogona barbata), giftproduzierendes Drüsengewebe gefunden. Außerdem werden Symptome, die nach den Bissen von Komodowaran, Buntwaran und Gebändertem Baumwaran auftreten, nicht mehr nur als Ergebnis einer Bakterieninfektion, sondern als Resultat einer aktiven Giftsekretion interpretiert. Beim Komodowaran konnten Giftdrüsen mit Hilfe von 3D-Scans eines Schädels in einem Magnetresonanztomographen nachgewiesen werden. Hinweise auf Giftdrüsen gibt es zudem bei fossilen Schleichenartigen. Heute gehören knapp 60% Schuppenkriechtierarten zu den Toxicofera.

      • Serpentes (Schlangen) [LINNAEUS, 1758]
        • Überfamilie Acrochordoidea (Warzenschlangenverwandte) [BONAPARTE, 1831]
        • Überfamilie Uropeltoidea [MÜLLER, 1832]
        • Überfamilie Pythonoidea (Pythonartige) [FITZINGER, 1826]
        • Überfamilie Booidea (Boaartige) [GRAY, 1825]
          • Familie Boidae (Riesenschlangen) [GRAY, 1825] bilder
        • Überfamilie Colubroidea (Nattern- und Vipernverwandte) [OPPEL, 1811]
          • Familie Colubridae (Nattern) [OPPEL, 1811]
        • Überfamilie Elapoidea 
        • Aktuell nicht zu einer Überfamilie zugeordnet:
      • Iguania (Leguanartige) [COPE, 1864]
        Die Leguanartigen werden in zwei größeren Gruppen strukturiert. Agamen und Chamäleons werden im Taxon Acrodonta zusammengefaßt. Ihre Zähne sind auf der Oberkante des Kiefers befestigt. Alle anderen Leguanartigen bilden die Gruppe Pleurodonta. Ihre Zähne sitzen wurzellos an der Innenkante der Kiefer.
        • Acrodonta [Cope, 1864]
          • Familie Agamidae (Agamen) [GRAY, 1827] bilder
            Agamen kommen in Europa, Afrika, Asien und Australien vor. Sie zeigen eine erstaunliche Formen- und Verhaltensvielfalt. Sie bewohnen trockene Wüsten, Steppen und Wälder. Flugdrachen der Gattung Draco können von einem Baum zum anderen gleiten, Dornteufel (Moloch horridus) haben ein System aus mikroskopischen Rillen in ihrer Haut, um Wasser aus Regenfällen oder die Feuchtigkeit aus dem Nebel zum Maul zu transportieren. Agamen haben exzellente Augen und ein gutes Gehör. Der Geruchssinn ist trotz des Vorhandenseins von Riechzellen im Nasengang und dem Jacobson-Organ nicht stark entwickelt.
          • Familie Chamaeleonidae (Chamäleons) [RAFINESQUE, 1815] bilder
            Auffällige Merkmale der Chamäleons sind der gedrungener Rumpf, der hohe Rücken und der kompakte Schädel, die unabhängig voneinander bewegbaren Augen, die Greifhände, die zur Jagd einsetzbare lange Zunge und die Farbwechselfähigkeit. Der Farbwechsel dient in erster Linie zur Kommunikation mit den Artgenossen. Auch äußere Faktoren (Temperatur, Sonneneinstrahlung oder Luftfeuchtigkeit) wirken sich auf das Erscheinungsbild aus. Mehr als 200 Arten sind beschrieben, davon kommen 40% ausschließlich auf Madagaskar vor. Die artenreichste Gruppe sind die Echten Chamäleons (Chamaeleoninae). Sie sind i.d.R. größer, haben einen langen Schwanz und eine stark ausgeprägte Farbwechselfähigkeit. Die zweite Gruppe bilden die Stummelschwanzchamäleons (Brookesiinae). Sie sind recht klein, haben nur einen rudimentären Schwanz, sind eher unauffällig gefärbt und weisen auch nur eine geringe Farbwechselfähigkeit auf.
        • Pleurodonta [Cope, 1864]
      • Anguimorpha (Schleichenartige) [FÜRBRINGER, 1900]
        Zur Gruppe der Schleichenartigen gehören rund 200 Arten aus 8 Familien. Gemeinsames Merkmal sind die alternierend wachsenden neuen Zähne. Das heißt, die neuen Zähne wachsen zwischen – und nicht unterhalb – der alten Zähne heran. Zudem ist die Zunge der Schleichenartigen durch eine Falte in einen vorderen und hinteren Abschnitt geteilt. Es werden zwei Gruppe unterschieden. Paleoanguimorpha mit Waranen, Taubwaranen und Krokodilschwanzechsen. In der zweiten Gruppe Neoanguimorpha befinden sich Schleichenverwandten, Höckerechsen und Krustenechsen.
        • Paleoanguimorpha (Waranartige) [VIDAL & HEDGES, 2009]
          • Shinisauroidea (Krokodilschwanzechsenverwandte) [AHL, 1930]
            • Familie Shinisauridae (Krokodilschwanzechsen) [AHL, 1930] bilder
              Die Chinesische Krokodilschwanzechse ist der einzige Vertreter dieser Familie. Die sehr seltene Reptilienart kommt in freier Wildbahn nur noch an zwei Orten vor, davon eine in Vietnam und eine zweite mit ca. 700 Exemplaren in der chinesischen Provinz Guangxi. Die an ein Krokodil erinnernde Beschuppung des Schwanzes ist für die Benennung dieser Art verantwortlich.
          • Varanoidea (Waranverwandte) [MÜNSTER, 1834]
            • Familie Lanthanotidae (Taubwarane) [STEINDACHNER, 1877]
              Der Borneo-Taubwaran (Lanthanotus borneensis) ist der einzige Vertreter der Familie Lanthanotidae. Über die Lebensweise von Taubwaranen ist wenig bekannt. Die lichtscheuen Tiere verbringen die meiste Zeit in unterirdischen Gängen bzw. Höhlen, unter Pflanzen oder im Wasser und sind wohl nachtaktiv. Die Nasenlöcher sind weit nach hinten verschobenen, was für eine bessere Atmung beim Schwimmen sorgt. Das Augenlid ist nicht wasserdurchlässig, dadurch können Taubwarane beim Tauchen sehen. Eine äußere Ohröffnung fehlt, sie sind nahezu gehörlos. Es gibt Vermutungen, dass sich die Schlangen aus aus taubwaranähnlichen Reptilien entwickelt haben.
            • Familie Varanidae (Warane) [MERREM, 1820] bilder
        • Neoanguimorpha (Echte Schleichenartige) [VIDAL & HEDGES, 2009]
          • Familie Helodermatidae (Krustenechsen) [GRAY, 1837] bilder
            Das bevorzugte Nahrungsspektrum der Krustenechsen besteht aus Kleinsäugern, Nagern und Vögeln. Lange Zeit galten die sie als die einzigen giftigen Echsen. Inzwischen wurden Gifte auch bei anderen Arten, z.B. den Komodowaranen nachgewiesen. Krustenechsen setzen ihr Gift selten bei der Jagd ein, sondern eher bei ihrer Verteidigung.
          • Diploglossa (Schleichenartige) [COPE, 1864]
            • Xenosauroidea (Höckerechsenverwandte) [COPE, 1866]
            • Anguioidea (Schleichenverwandte) [OPPEL, 1811]

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